Sanierung Stadtbauamt Kulmbach
Tradition und Moderne in der Denkmalpflege
Das grundsanierte historische Bauamt von Kulmbach überrascht mit der Materialwahl. Für einen barrierefreien Zugang, einen besseren Schallschutz und Brandschutz mussten auch zeitgemäße Lösungen gefunden werden. Die neuen Schieferdächer sind klassisch und modern zugleich.
Alt auf alt, neu auf neu
Das Bauamt in Kulmbach ist ein denkmalgeschütztes Gebäudeensemble dessen Anfänge in einem Teil bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts reichen. Die zwei Hauptgebäude aus dem 16. Jahrhundert wurden nach 1910 durch ein drittes dazwischen errichtetes Bauwerk, hauptsächlich ein Treppentrakt, zu einem Bauwerk zusammengefügt. Dieses schmale Bauwerk ist noch heute straßenseitig durch einen Rundbogen-Eingang erkennbar. Im Zuge der Sanierung sollten die verschiedenen Einzelbauten zu einer funktionstüchtigen Einheit zusammenwachsen. Bei der Gelegenheit wollten die Architekten aber auch Planungsfehler aus der Vergangenheit bereinigen. Das Bürogebäude sollte zudem barrierefrei werden und auch den heutigen energetischen und brandschutztechnischen Anforderungen genügen. Die Baumaßnahme ist aufgrund der Wünsche der Stadtverwaltung fast eine Vollsanierung geworden.
Im Zuge der aktuellen Sanierung wurden Gebäudeteile, wie früher auch, verändert oder neu errichtet. So ist das komplette Dachgeschoss des von der Straße aus rechten Gebäudeteiles (Straße: Oberhacken 10) durch ein neues leistungsfähigeres Bauteil ersetzt worden. Hinter dem Gebäude, von der Straße aus nicht einsehbar, entstand ein neuer moderner Treppen- und Fahrstuhltrakt, durch den das Bauwerk erstmals barrierefrei besucht werden kann.
Dächer und Fassaden in Schiefer:
Eine große Veränderung im Zuge der Sanierung erfuhren die Dächer und Fassaden. Zuletzt mit Ziegeln gedeckt folgten diesmal Schieferdeckungen, wie sie an herausragenden Dächern und Giebeln historischer Gebäude in Kulmbach auch verbaut sind. Mit der Spitzwinkeldeckung und der Symmetrischen Deckung, eine der ältesten und der neuesten Schieferdeckungen, spannt der Architekt ein breites Leistungsspektrum von historisch alt bis neu ab.
Architekt Tino Heß aus Kulmbach wählte für den weitgehend historisch erhaltenen Dachstuhl des Hauptgebäudes die Spitzwinkeldeckung, eine Schieferdeckart mit langer Historie. Von den zehn Spitzwinkel-Größen kam die Größe Nummer drei, 38 x 25 cm zum Einsatz. Der Deckstein dieser Deckung basiert auf einer auf die Spitze gestellten Steinraute mit zwei gegenüber liegenden gestutzten Ecken. Die Deckart, die im halben Verband gedeckt wird, haben so ähnlich bereits die Römer verwendet. Sie zählt zu den ältesten sogenannten geschlossenen Deckungen, was bedeutet, dass im eingedeckten Zustand keine offenen Spalten zwischen den Steinen entstehen. Die Deckung gilt daher ab einer Mindestdachneigung von 30° als regensicher. Der exakte Verband der Spitzwinkeldeckung hat allerdings auch einen kleinen Nachteil. Ungerade Dachflächen lassen sich zuweilen nicht ganz einfach durchdecken. Bei dem alten Dach mussten die Dachdecker beispielsweise über einem historischen Dachknick die Deckung neu ansetzen. Ansonsten ist die grundsolide Deckung an den Ortgängen mit aufgelegten Orten, am First mit quer liegenden Spitzwinkeln und an den Traufen mit einem Traufgebinde vollendet. Gleiches gilt für die mit Kupfer bekleideten Fenster. Ortgänge, First und Traufgebinde aus Schiefer fügen die Fenster in die Dachflächen ein.
Der große Hauptgiebel ist als historische Bausubstanz um 50 cm nach hinten gekippt. Man erkennt es kaum, weil die großen Schieferflächen ineinander übergehen. Um den Dachstuhl original zu belassen wurde auch diese Neigung erhalten und mit der Spitzwinkel-Schieferdeckung regensicher bekleidet. Der Regen, der diese Flächen durch die Schräge erreicht, wird sie stets sauber waschen.
Sanierung Stadtbauamt Kulmbach
Neues mit Symmetrischer Deckung:
Der alte und nicht ausbaufähige Dachstuhl des straßenseitig rechten Daches (Straße: Oberhacken 8) wurde komplett abgerissen und ein neues Dachgeschoss aus einer modernen Stahlkonstruktion errichtet. Auf den ersten Blick sieht der neue Gebäudeteil wie ein Mansarddach aus, erstreckt sich doch die Schieferbekleidung von Wand bis zum Dach. Doch die Flächen sind senkrecht und der Ausbau daher eine komplette Aufstockung um ein Vollgeschoss. Dach und Wand der Aufstockung sind mit einer der neuesten Schieferdeckarten von Rathscheck Schiefer, der Symmetrischen Deckung mit Hinterschnitttechnik bekleidet. Die Symmetrische Deckung mit Hinterschnitt basiert auf etwa 2 cm dicken Schieferplatten, die von hinten, unsichtbar, mit konischen Bohrungen versehen sind. In diese etwa einen Zentimeter tiefen Sacklöcher werden spezielle konische Anker eingebaut, die frei von Spannungen die Halter für die Aluminium-Unterkonstruktion aufnehmen.
Die Schieferplatten gibt es in verschiedenen Höhen und Längen. Am Bauamt in Kulmbach wurden vier Gebindehöhen eingesetzt. Die 20, 30, 40 und 50 cm hohen Steine gibt es in Längen bis zu 1,2 Meter. Die mittlere Länge der Platten beträgt etwa 80 cm. Die Steine sind im sogenannten Läuferverband montiert. Die Optik des Läuferverbandes haben die Architekten für jede einzelne Fläche vorgegeben. Basierend auf diesen Verlegeplänen lieferte der Schieferproduzent Rathscheck aus Mayen die großen Steine mit den Hinterschnittbohrungen exakt auf Maß auf der Baustelle an. Vor Ort wurden die Platten mit den Ankern versehen und auf der Aluminium-Unterkonstruktion eingehängt.
Für die Symmetrische Deckung werden die Stoß- und Lagerfugen in einer breite zwischen fünf und zehn Millimeter empfohlen. In Kulmbach sind die Fugen auf Wunsch des Architekten und des Denkmalpflegers nur fünf mm groß. Das gilt für die Wand wie für das Dach. Beim Dach fordern die rundum offenen Fugen der Deckung ein wasserdichtes Unterdach. Dieses erstellten die Dachdecker auf einer Vollschalung mit einer EPDM-Dichtungsbahn. Mit dieser Bahn wurden auch die Alu-Unterkonstruktionen in die Dichtung integriert, sodass Regenwasser durch die offenen Fugen durchlaufen kann und an der Traufe, in die unter der Schieferdeckung versteckte Rinne einlaufen kann. Zur Sicherheit und für Wartungszwecke ist über dieser Rinne ein etwa acht Zentimeter breiter Streifen der Schieferdeckung offen.
Extreme Kontraste zwischen Neu und Alt erlebt man im neuen rückwärtigen Treppen- und Aufzugstrakt. Hier begegnen sich feinste, sehr helle Sichtbetonwände, hochwertig im Beton integrierte Lichtelemente und rund 500 Jahre alte Mauerwerksteile. Der überaus reizvolle Kontrast kann kaum ausgeprägter sein.
Traditionelle und sehr moderne Schieferdeckungen, aber auch Umbauten und Optimierungen im Gebäudegrundriss sorgen für ein gutes Arbeitsklima im uralten und zugleich sympathisch runderneuerten Stadtbauamt in Kulmbach.
Sanierung Stadtbauamt Kulmbach
Bauherren: Stadt Kulmbach
Architekt: juli architektur I design, Tino Heß, Kulmbach
Dachdecker: Dachdeckerei Cherbiat, Kulmbach
Schiefer: Spitzwinkel-Deckung, Symmetrische Deckung mit Hinterschnitt im Läuferverband, Rathscheck Schiefer, Mayen