Einfamilienhaus, Zell
Organische Architektur ist das Gegenmodell zur nüchternen und geradlinigen Bauwelt. In Zell an der Mosel zieht ein Haus mit großem Schieferdach ausnahmslos alle Blicke auf sich.
Rund für die Seele. Wilde Deckung für Romantiker.
Die Dachfenster besitzen Augenbrauen, über den Schornstein schwappt eine Welle und die Regenrinne hält ein Herz. Das sind nur einige Details eines nicht alltäglichen Schieferdaches.
Organisches Bauen ist vor allem ein Bauen mit allen Sinnen, emotional, voller Freude und oft Erfüllung verborgener Wünsche. Auch die ansonsten sachlichen Dachdecker riss das Objekt in seinen Bann. Dachdeckermeister Mark Grünewald schwärmt: „So ein Objekt hat man nur einmal im Leben. Davon kann man Jahre zehren. Davor und danach ist wieder Alltag.“ In den drei Monaten, in denen dieses Dach gedeckt wurde, war nichts normal. Grünewald: „Da merkt man, wie viel verborgene Kreativität, handwerkliches Können und Freude an der Gestaltung in den Mitarbeitern steckt.“
Trotz aller Emotionen musste es aber auch sachlich zugehen. Eine Wilde Deckung mit solchen Geometrien und Details ist schwierig. Nur wenige Dachdecker beherrschen diese Kunst.
Einfamilienhaus, Zell
Wild, nicht aggressiv
Es sollte nicht zu wild, vor allem nicht aggressiv, aber doch lebhaft aussehen. Bauherr und Architekt ließen sich die verschiedenen Spielarten der Wilden Deckung genauestens erläutern. Die Entscheidung fiel auf Moselschiefer®. Der Bauherr, ein Allgemeinmediziner und Psychotherapeut, hat schon von Berufswegen eine ganz besondere Beziehung zu Formen. Kopfmenschen, „verkopfte“, so heißt es bei ihm, lieben es gerade, Romantiker sind gefühlsbetont und lieben es rund und weich. Und so musste diese Wilde Deckung dem Anspruch eines Gefühlsbetonten gerecht werden.
Die Deckung wurde analog einer Altdeutschen Deckung angelegt. Die großen Steine (bis 60 x 60 cm) liegen unten, die kleinen (ca. 25 x 25 cm) am First. Alle Steine sind in der Sichtfläche rund zugerichtet und nach Möglichkeit geschlossen verdeckt. Damit keine gebindeähnlichen Linien erkennbar wurden, galt es immer wieder große Steine oder sogenannte Zungen einzubauen, um eine unbeabsichtigte Wiederholung und eine damit verbundene Linienbildung zu vermeiden. Am Dach wurden sechs Dachdecker beschäftigt. Alle zwei Stunden wechselten sie die Plätze, damit sich keine Handschrift einschleichen konnte.
Neben den großzügig gerundeten Flächen (210 m²) waren drei kleine Tonnen-Schleppgauben, eine große Schleppgaube, ein Zwiebeltürmchen und ein Kamin einzudecken. Insgesamt wurden rund 270 m² Wilde Deckung ausgeführt und 17 Tonnen Moselschiefer® verarbeitet.
Seelen-Bau
Architekt Walter Andre ist bekannt für seine organischen Bauten. Das Haus in Zell weist über das imposante Schieferdach hinaus eine Vielzahl hoch interessanter Details auf. Jedes der alten hier integrierten Teile kann eine eigene Geschichte erzählen. Jeder Raum folgt einem Thema. Das Ganze ist ein Stück Seelenheimat für einen Bauherren, der mit viel Engagement seinen Traum lebt. Daneben ist das Haus hochwasserfest (Beton-Untergeschoss) und erfüllt hohe Anforderungen an den Wärmeschutz (15 cm WDVS an der Wand, 24 cm Dachdämmung). Ein raffiniertes Heizsystem und ein Kamin im Wohnzimmer mit Schieferdach in Wilder Deckung, Dachbewässerung und Regenrinne gehören dazu.
Einfamilienhaus, Zell
BAUHERR
Privat
PLANUNG UND TRAGWERKSPLANER
Architekt Walter Andre Dipl.-Ing. (FH), 56814 Ernst
02 / 2008 bis 08 / 2010
306 m² Grundstücksfläche
145 m² Gebäudefläche
270 m² Dachfläche
Grünewald Dachtechnik,
56814 Bruttig-Fankel
Zell an der Mosel
Rathscheck Schiefer, Moselschiefer®
(17 Tonnen)
Wilde Deckung
Sparrendach, 24 mm Holzschalung
Verwendung vieler historischer Baustoffe, wie Sandsteingewände, gusseiserne Stützen, Fliesen, Innentüren, Tore und Außentreppe etc.