Asbestplatten auf dem Dach: Die Situation in Deutschland
Obwohl die gesundheitsschädliche Wirkung von Asbest seit langem bekannt war, wurde die Mineralfaser bis Ende der 1970er-Jahre in zahlreichen Baumaterialien verwendet. Grund dafür waren seine hervorragenden und vielseitigen technischen Eigenschaften, die Produzenten und Bauherren lange über die krebserregenden Effekte der Faser hinwegsehen ließen.
Asbestwellplatten und kleinformatige Asbestplatten, die natürliche Schieferplatten imitieren sollten, wurden bis in die 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts hinein auf zahlreichen Dächern verbaut, da sie als günstig und unverwüstlich galten.
Erst dann folgte langsam ein Umdenken und der Gesetzgeber schränkte die Verwendung von Asbest immer stärker ein. Erst im Jahr 1993 erfolgte schließlich ein endgültiges Verbot für die Herstellung und Verwendung von Asbest in Deutschland. Bereits eingebaute Asbestprodukte wurden jedoch in der Regel nur bei akuter Gefährdung sofort entfernt. Deshalb müssen auch heute noch viele Immobilienbesitzer mit Asbest im oder auf dem Haus rechnen. Diese asbesthaltigen Materialien müssen bei Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen besonders sorgfältig behandelt werden, um eine Gesundheitsgefährdung von Arbeitern, Bewohnern und Umfeld durch Asbeststaub zu verhindern.
Wo Sie mit Asbest auf dem Dach oder im Haus rechnen müssen
1. Fest gebundener Asbest, zumeist in der Form von Asbestzement, enthält einen vergleichsweise hohen Anteil anderer Bindemittel und einen Asbestanteil von lediglich zehn bis 15 Prozent. In derartigen Produkten sind die gefährlichen Asbestfasern relativ fest gebunden und daher verhältnismäßig ungefährlich, solange die asbesthaltigen Baustoffe nicht beschädigt oder mechanisch bearbeitet werden. Materialien mit fest gebundenen Asbestfasern sind jene Produkte, die Ihnen bei einer Dachsanierung am ehesten begegnen können.
Zu dieser Produktgruppe zählen:
- Asbestzement-Bauteile wie Asbest-Dachplatten und Fassadenelemente wie Asbestwellplatten; Haus-Innenseiten von Dachkonstruktionen; Rohre, Kabel- und Lüftungskanäle sowie Elektroschränke oder auch Verkleidungen von Brandschutztüren
- freistehende Formteile wie etwa Blumenkästen, Wannen, Tröge, Gartenmöbel oder Beton-Tischtennisplatten
2. Schwach gebundener Asbest, wie er etwa in Spritzasbest verwendet wurde, enthält nur einen geringeren Anteil an Bindemitteln bei einem Asbestanteil, der 25 bis über 60 Prozent betragen kann. Dadurch sind die Asbestfasern nicht ausreichend fest gebunden und können schon durch minimale äußere Einflüsse, wie zum Beispiel durch Erschütterungen, freigesetzt werden und in die Atemluft gelangen. Das Einatmen dieses hochgefährlichen Asbeststaubs kann im schlimmsten Fall zu einem Pleuraerguss (der allerdings häufig gutartig verläuft), Asbestose, Lungenkrebs und weiteren schweren Erkrankungen führen. Produkte mit schwach gebundenem Asbest sind deshalb besonders riskant und müssen in jedem Fall entfernt und entsorgt werden.
Zu den Bauteilen und Produkten, die schwach gebundene Asbestfasern enthalten können, zählen beispielsweise:
- asbesthaltige Spritzbeläge für Stahlträger
- Asbestgewebe, etwa als Dichtungsmaterial von Türen
- asbesthaltige Gipse und Putze
- Asbestleichtbauplatten, etwa in Brandschutzverkleidungen und Brandschutztüren oder asbesthaltige Wand- und Bodenbeläge
Vorsicht trotz Asbestverbot!
Obwohl in Deutschland und der EU seit 1993 ein Asbestverbot gilt, sind weiterhin über eine Milliarde Quadratmeter asbesthaltiger Stoffe verbaut. Besonders in Gebäuden die zwischen 1900 und 1993 erbaut wurden, haben wahrscheinlich Asbestwellplatten und andere asbesthaltige Materialien Verwendung gefunden. Ob an oder in Ihrem Haus Asbest verbaut wurde, können Fachleute eindeutig feststellen. Wie Sie selbst Asbest erkennen können, erklären wir Ihnen ausführlich in dem Artikel Wie Sie Asbest am Dach erkennen können.
Wie viel Asbest ist aktuell noch auf deutschen Dächern verbaut?
Wegen seiner hervorragenden Eigenschaften wurde Asbest in vielen Bereichen eingesetzt. In weit über 3.000 Anwendungen kam die vielseitige Faser zum Einsatz. Asbesthaltige Bodenbeläge etwa hatten in den 1970er-Jahren einen Marktanteil von circa 20 Prozent.
Zu seinen Hochzeiten lag der höchste Verbrauch von Rohasbest in den alten Bundesländern bei etwa 180.000 Tonnen pro Jahr. Der überwiegende Anteil davon, etwa 75 Prozent, wurde zu Asbestzement verarbeitet, der zu einem großen Teil heute noch in Form von Asbestzementplatten auf deutschen Dächern liegt.
Laut einer Untersuchung des Bayerischen Landesamts für Umwelt aus dem Jahr 2013 waren zu diesem Zeitpunkt knapp 1,4 Milliarden Quadratmeter Gesamtfläche im Hochbau (neben Dächern auch Rohre, Böden und Dämmung) mit asbesthaltigen Materialien belastet. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Zahl in den vergangenen drei Jahren (Stand 2016) nur geringfügig verringert hat. Die vorhandene Fläche Asbestzement betrug der Studie zufolge im Jahr 2013 in den alten Bundesländern ungefähr 900 Millionen Quadratmeter, wovon allein etwa 300 Millionen Quadratmeter auf unbeschichtete Platten entfielen. Für die Neuen Bundesländer schätzte das Bayrische Umweltamt die Fläche der meist unbeschichteten Asbestplatten auf circa 500 Millionen Quadratmeter.
Einer Einschätzung des Schieferproduzenten Rathscheck Schiefer zufolge sind in Deutschland derzeit bis zu 700 Millionen Quadratmeter Dachfläche mit asbesthaltigen Materialien belastet. Bei einer durchschnittlichen Dachfläche von 150 Quadratmetern für ein Einfamilienhaus entspräche das einer Gesamtzahl von 4,6 Millionen Häusern, die einer Asbestsanierung bedürfen.
Sachverständige gehen daher davon aus, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis die letzte Asbestplatte von deutschen Dächern verschwunden ist. Während im Nachbarland Holland Hausbesitzer ab 2024 zu einer Asbestsanierung verpflichtet werden, erfolgt diese Maßnahme in Deutschland momentan noch auf freiwilliger Basis.
Wann ist eine Asbestsanierung des Daches angeraten?
Grundsätzlich geht von fest gebundenem Asbest in Faserzement nur ein geringes Risiko aus. Jedoch können durch Verwitterung oder mechanische Einwirkung gefährliche Asbestfasern aus Asbestdächern oder anderen im Außenbereich verbauten Asbestprodukten freigesetzt werden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Asbestplatten auf dem Dach zum Risikofaktor werden.
Ein wichtiges Indiz für eine Asbestbelastung ist das Baujahr Ihres Hauses. In Häusern, die zwischen 1950 und bis Anfang der 1990er-Jahre erbaut wurden, sei mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit irgendwo Asbest zu finden, wie Thorsten Mußdorf, Geschäftsführer des Norddeutschen Asbestsanierungsverbandes (NAV), anmerkt. Sicherheit kann allerdings nur eine Probenuntersuchung unter dem Raster-Elektronenmikroskop liefern.
Im Verdachtsfall sollten Sie daher unbedingt einen zertifizierten Sachverständigen hinzuziehen, bevor Sie eigenmächtig irgendwelche Arbeiten an verdächtigen Materialien vornehmen. Bei der Bearbeitung von Produkten aus Asbestzement können bei unsachgemäßem Vorgehen große Mengen Asbeststaub freigesetzt werden. Riskant sind vor allem Arbeitsverfahren, bei denen der Asbestzement mechanisch bearbeitet (bohren, sägen, schleifen, fräsen) beziehungsweise zerstört (zerbrochen, zerschlagen) wird. Schon beim vermeintlich harmlosen Streichen oder Dampfstrahlen kann gefährlicher Abrieb entstehen.
Ein hinzugezogener Experte kann nicht nur die tatsächliche Asbestbelastung feststellen und das Risiko einschätzen. Seine Bestätigung einer Asbestbelastung brauchen Sie außerdem, wenn Sie eine eventuell nötige Asbestsanierung als außergewöhnliche Belastung von der Steuer absetzen wollen.